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Internationaler Tag der Frauen in der Mathematik

Spannende Einblicke in die Mathematik und Antworten auf die größten Irrtümer und Missverständnisse dieser Wissenschaft

Gruppenfoto: Ekaterina Fokina, Leila Taghizadeh, Sandra Müller, Lena Wallner, Katharina Schuh und Alexia Fürnkranz-Prskawetz (von links)

Ekaterina Fokina, Leila Taghizadeh, Sandra Müller, Lena Wallner, Katharina Schuh und Alexia Fürnkranz-Prskawetz (von links)

Seit dem Jahr 2019 ist der 12. Mai der Internationale Tag der Frauen in der Mathematik (International Women in Mathematics Day). Dieser Tag erinnert an die wichtige Rolle von Mathematikerinnen in ihrem Fach, viele von ihnen sind uns bis heute noch wenig bis gar nicht bekannt, obwohl zahlreiche Frauen Großes für die Mathematik geleistet haben. Warum aber sind sie uns unbekannt? Frauen durften bis in die Neuzeit nicht studieren. Trotzdem machten sich im Lauf der Geschichte viele Frauen um die Mathematik verdient, wie beispielsweise Ada Lovelace (1815-1852), Laura Bassi (1717-1778) oder Maryam Mirzakhani (1977-2017). Der 12. Mai ist übrigens kein willkürlich gewählter Tag. Dieser Tag ist der Geburtstag der iranischen Mathematikerin Maryam Mirzakhani, die 2014 als erste Frau überhaupt die Fields Medaille bekam. Jedes Jahr sollen an diesem Tag Frauen in der Mathematik und ihre Forschung sichtbar gemacht werden.

Mathematikerinnen an der TU Wien

An der TU Wien arbeiten derzeit 124 Mathematikerinnen im wissenschaftlichen Bereich. Anlässlich des Internationalen Tag der Frauen in der Mathematik haben wir einige unsere Kolleginnen gefragt, was sie am Spannendsten an Mathematik finden und was ihrer Meinung nach der größte Irrtum in diesem Forschungsbereich ist. So vielfältig wie die Wissenschaft selbst sind auch die Antworten der Kolleginnen.

Was findet ihr am Spannendsten an Mathematik?

Alexia: In meinem Forschungsgebiet der Wirtschaftsmathematik finde ich es am Spannendsten wie man die Mathematik anwenden kann um einerseits wirtschaftliche Zusammenhänge mathematisch konsistent darzustellen und andererseits wie uns die Mathematik hilft, auf Basis dieser Modelle Entwicklungen zentraler wirtschaftspolitischer Entwicklungen zu verstehen.

Ekaterina:If we talk about mathematics in general, I am fascinated by its universality. It is simply everywhere: in our everyday life, in technology, engineering, computer science, physics and other scientific disciplines. It has so many applications and makes our life easier, but also pure mathematics is so beautiful by itself. If we talk about my research field — mathematical logic — I admire its foundational nature. I like that it makes things precise and clear.

Katharina: Ich finde super spannend, dass die Mathematik überall auftaucht, auch wenn man es gar nicht erwartet. Gerade mit meinem mathematischen Background in Stochastik und Analysis, begegne ich ihr immer wieder im Alltag oder der Natur. Sämtliche Prozesse und Phänomene lassen sich durch sie beschreiben oder lassen sich hoffentlich irgendwann durch sie beschreiben, denn es gibt noch viele Sachen, die wir noch nicht wissen. Trotzdem können wir sie auch schon jetzt dazu verwenden, für viele Phänomene sehr genaue Vorhersagen zu treffen.

Leila:I enjoy the flexibility of Mathematics, in the sense that Mathematics is an endless science where you are not limited by a couple of pre-defined rules and methods. Although you should commit to the existing mathematical principles, you are free to be innovative to create and design new mathematical algorithms. In my view, another exciting aspect of mathematics is its various applications in real life; for instance, in engineering, healthcare, medicine, and life science.

Lena: An Mathematik gefällt mir am besten das Gefühl, etwas richtig verstanden zu haben. Ich finde es faszinierend, dass man alleine durch Lesen, konzentriertes Nachdenken und Gespräche so komplexe Konzepte und Zusammenhänge begreifen kann. Das kann sich anfühlen wie nach einem mühseligen Aufstieg am Gipfel eines Berges anzukommen. Außerdem wird in den meisten Gebieten keinerlei Equipment benötigt. Ergebnisse müssen nicht in einem Labor oder in einer aufwendigen Studie verifiziert werden.

Sandra: Das Spannende an der Mathematik ist, dass man nie genau weiß wie lange man für die Lösung eines Problems benötigt oder ob man überhaupt eine Lösung finden wird. Wenn ich beginne an einer neuen Fragestellung zu arbeiten, dann kann es passieren, dass ich schnell (also innerhalb weniger Stunden oder Tage) sehe, wie ein Problem gelöst werden könnte. Manchmal kann es aber auch Monate oder Jahre dauern, bis der richtige Einfall kommt.

Was ist eurer Meinung nach der größte Irrtum in der Mathematik?

Alexia: Mathematik wird immer als abstrakt gesehen, obwohl Mathematik ein fixer Bestandteil unseres Alltags ist und der Nutzen der Mathematik für Technik und Naturwissenschaften, aber auch für Gesellschaft und Wirtschaft, Kunst und Kultur offensichtlich ist. Mathematik zum Anfassen und nicht Mathematik als Schreckgespenst ist unser Motto, das wir bei TUForMath, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster in Workshops für Schüler_innen und in Abendvorträgen für die breite Öffentlichkeit zeigen.

Ekaterina: I believe the biggest misconception is ABOUT mathematics: namely, that it is not for everyone. So often in my life I heard: „I am so bad in mathematics“ or „I do not understand anything about mathematics“. It is almost as if people were proud to be bad at it. However, I am sure that everyone can appreciate math, like everyone can find joy in reading or listening to music. Of course, not everyone will do math professionally but everyone can embrace its beauty, similar to enjoying a book or a favourite song.

Katharina: Leider wird die Mathematik häufig sowohl unterschätzt als auch überschätzt.
Unterschätzt wird sie, wenn man sie nur als Hilfswissenschaft für andere Fachrichtungen sieht, die man benötigt, um irgendwas zu berechnen. In meinem Alltag als Mathematikerin berechne ich tatsächlich nur sehr selten etwas.
Überschätzt wird sie häufig, wenn man sie als schwierig und unverständlich abtut. Tatsächlich vereinfachen sich viele Probleme, die auf dem ersten Blick nicht oder nur sehr umständlich zu lösen sind, indem man sich mathematischer Kniffe und Tricks bedient.

Leila:Thinking about the wide range of applications of mathematics in various areas in real life clearly shows the necessity of learning mathematics in different levels for everyone. I think looking at mathematics as a science that only a specific and small part of people can learn, is a big misunderstanding about this science. Mathematics is for everyone; I think it is not only the talent that can help in this way, but a big part of learning process in mathematics is based on the continuous and hard work. This misunderstanding leads to the fact that a big number of students, in particular females, do not choose Mathematics as their field of study and later as their career.

Lena: Ich dachte lange Zeit, dass man nur dann wirklich gut in Mathematik sein kann, wenn man ein „klassisches Genie" ist. Damit meine ich, dass man sehr schnell Zusammenhänge versteht, immer sofort eine Frage hat, kreativ ist und geniale Ideen aus dem Nichts hat. Diese Eigenschaften sind auch sicherlich hilfreich um erfolgreich Mathematik zu betreiben, aber meiner Meinung nach auf keinen Fall notwendig. Genauso nützlich sind Ehrgeiz, Durchhaltevermögen, Genauigkeit, Organisiertheit und vieles mehr. Jede und jeder kann auf eine ganz eigene Art und Weise Mathematik betreiben und keine davon ist besser oder schlechter als eine andere.

Sandra: Der größte Irrtum über Mathematik ist, dass es eine Wissenschaft für Nerds ist, die einsam in ihrem Keller grübeln. Ein großer Teil mathematischer Forschung entsteht gemeinschaftlich in Gesprächen und Diskussionen, häufig im Büro an der Tafel, aber auch in Cafés oder im Sommer auf der Wiese mit einem Blatt Papier in der Hand. Forschung lebt von Vielfalt und neue Ideen entstehen häufig im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Außerdem bringt auch die innovativste Spitzenforschung nicht viel, wenn man sie nicht in der Fachwelt sowie in der Öffentlichkeit verbreitet. In diesem Sinne ist Mathematik eine sehr soziale Wissenschaft.

 

Gut zu wissen

An der TU Wien gibt es das Netzwerk fem*MA, ein Netzwerk, das gegründet wurde , um Frauen* in der Mathematik zu unterstützen und mehr Frauen* für dieses Forschungsfeld zu gewinnen. Beim „Paths for Maths“ Event am 24. Mai feiert das Netzwerk Frauen in der Mathematik.

Wann? 24. Mai, 13:30 bis 16:30 Uhr

Wo? TU Wien Bibliothek, Seminarraum 5. Stock

Anmeldung

 

Über unsere Mathematikerinnen

Alexia Fürnkranz-Prskawetz hat Technische Mathematik an der TU Wien studiert und ist seit 2008 als Professorin für Mathematische Ökonomie tätig und beschäftigt sich vor allem mit der Modellierung der Auswirkung demographischer Prozesse (insbesondere der Alterung der Bevölkerung) auf ökonomische Prozesse.

Ekaterina Fokina studierte an der staatlichen Universität Nowosibirsk Mathematik. Während ihres Doktoratsstudiums verbrachte sie ein Jahr an der University of Notre Dame in South Bend (USA). Nach ihrem Abschluss kam sie 2008 nach Wien und arbeitete zuerst am Kurt Gödel Research Center for Mathematical Logic der Universität Wien, wo sie 2013 die Venia Docendi für Mathematik mit der Habilitationsschrift "Complexity of equivalence relations", erlangte. Seit 2015 ist sie an der TU Wien im Forschungsbereich Computational Logic, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster tätig.

Katharina Schuh hat Mathematik an der Universität Bonn studiert. Ende 2022 kam sie als PostDoc an die TU Wien, wo sie am Institut für Analysis und Scientific Computing (ASC) in der Arbeitsgruppe "Analysis nichtlinearer PDEs" forscht und arbeitet.

Leila Taghizadeh studierte Mathematik im Iran, wo sie zunächst auch als Universitätsdozentin tätig war. 2012 zog sie nach Österreich, um am Institut für Analysis und Scientific Computing der TU Wien zu arbeiten – zunächst als Softwareentwicklerin, dann als Projektassistentin. Im Jahr 2022 erhielt sie ein FWF-gefördertes Elise-Richter-Stipendium für ihr Projekt „Computational Uncertainty Quantification in Nanotechnology“, das sie im Mai 2023 am Institut für Analysis und Wissenschaftliches Rechnen der TU Wien startete.

Lena Wallner hat ihren Bachelor und Master in Mathematik an der Uni Wien absolviert und ist seit Dezember 2023 Doktorandin an der TU Wien in der Mengenlehre, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster im Bereich der inneren Modelltheorie. Außerdem engagiert sie sich beim Netzwerk fem*MA.

Sandra Müller studierte an der Universität Münster, wo sie 2016 ihr Doktorat abschloss. Seit 2021 ist sie im Rahmen des FWF-Karriereprogramms Elise Richter am Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster tätig, wo sie „Woodin Kardinalzahlen“ und andere große Kardinalzahlen sowie axiomatische Strukturen untersucht. 2022 wurde ihr der START Preis, Österreichs höchste Auszeichnung für hervorragende junge Forscher_innen, für ihr Projekt „Determinacy and Woodin limits of Woodin cardinals“ verliehen.